EMI: Nachfrageflaute bremst Industrieproduktion auch im Juni aus
Industrieunternehmen sind im Juni angesichts der anhaltenden Nachfrageschwäche langsamer gelaufen. Die auch im Berichtsmonat zu beobachtende schlechte Performance geht in erster Linie auf den anhaltenden Rückgang der Neuaufträge zurück, teilt der US-amerikanische Finanzdienstleister S&P Global mit.
Der HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland (EMI) gab zum Ende des zweiten Quartals erneut nach und signalisierte damit, dass sich die Talfahrt im Verarbeitenden Gewerbe der größten Volkswirtschaft der Eurozone fortsetzt. Mit 40,6 Punkten – nach 43,2 im Mai – sank der EMI zudem auf den tiefsten Stand seit über drei Jahren. Zahlreiche EMI-Umfrageteilnehmer schrieben den anhaltenden Negativtrend neben anderen Faktoren vor allem der Zurückhaltung der Kunden und dem Abbau von Lagerbeständen zu.
„Wohin steuert die deutsche Wirtschaft und wie geht es mit der Industrie weiter? Schaut man auf die aktuellen EMI-Daten ist noch keine konjunkturelle Besserung in Sicht“, betont BME-Vorstandsvorsitzende Gundula Ullah. Während sich einige EMI-Teilindizes wie Produktion sowie Auftragseingang und -bestand auch im Juni schwertaten und deutlich unter der magischen 50-Punkte-Referenzlinie blieben, lassen andere vielleicht auf bessere Zeiten hoffen. So sei beispielsweise im Exportgeschäft das Minus nicht mehr ganz so groß ausgefallen wie zuletzt.
„Die Stimmung in der deutschen Industrie ist immer noch gedämpft. Der erhoffte Aufschwung lässt weiterhin auf sich warten“, kommentiert Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. So könnte auch das zweite Quartal noch einen kleinen Rückgang aufweisen. „Die Minusraten in den beiden vorangegangenen Quartalen waren zwar eher verhalten und somit nur eine Mini-Rezession. Allerdings setzt sich damit die relative Schwäche im Vergleich zur Eurozone fort, Deutschland ist ein ‚Underperformer‘“, fügt die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.
„Die Hoffnungen auf eine konjunkturelle Erholung in Deutschland nach der technischen Rezession im Winterhalbjahr dürften enttäuscht werden“, sagt Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, dem BME.
„Die Konjunktur läuft alles andere als rund. Neben den strukturellen Sorgen wie hohen Energiepreisen, steigenden Zinsen und Fachkräftemangel macht den Unternehmen die schon seit Monaten schwächelnde Nachfrage zu schaffen. Die Neuaufträge sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland gehen weiter zurück“, teilt DIHK-Konjunkturexperte Dr. Jupp Zenzen dem BME mit. Letztlich zehre die Industrie von ihrem glücklicherweise noch immer überdurchschnittlich hohen Auftragsbestand. Positive Impulse seien derzeit aber nicht in Sicht. Zenzen weiter: „In diesem Jahr droht uns Stagnation.“
Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gibt Dennis Rheinsberg, Direktor - Energy & Industrials der IKB Deutsche Industriebank AG, dem BME folgende Einschätzung: „An den Rohstoffmärkten gaben die Preise der börsennotierten Metalle überwiegend weiter nach. Beim Rohölpreis lösten die Anfang Juni angekündigten Förderkürzungen der OPEC bislang noch keine signifikanten Bewegungen aus. Die bereits im Mai zu beobachtende Entwicklung der Einkaufspreise setzte sich damit im Juni fort. Das bestätigt den Eindruck, dass die Abkühlung der Nachfrage mittlerweile die Erholung der Angebotsseite überlagert. Da sich die Wende in der Zinspolitik deutlich in das Jahr 2024 verschiebt, wird sich die Abkühlung aller bedeutenden Volkswirtschaften bzw. Absatzmärkte der deutschen Wirtschaft in den nächsten Monaten fortsetzen.“
Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:
Produktion: Nach dem ersten Rückgang seit vier Monaten im Mai ist das Produktionsniveau im Verarbeitenden Gewerbe auch im Juni gesunken. Da auch der Investitionsgüterbereich schrumpfte, verzeichneten nun alle drei Teilbereiche der Industrie Einbußen.
Auftragseingang: In den meisten Fällen wurde die Drosselung der Fertigung mit dem anhaltenden Rückgang der Neuaufträge begründet. So rutschte der saisonbereinigte Teilindex Auftragseingang noch tiefer unter die Referenzlinie von 50,0 Punkten und notierte auf dem niedrigsten Stand seit acht Monaten – ein deutliches Signal, dass die Nachfrage nach Industriegütern kräftig schrumpft. Ursächlich hierfür waren laut EMI-Befragten vor allem die abwartende Haltung der Kunden sowie der Abbau von Lagerbeständen. Nach mehr als einem Jahr überdurchschnittlicher Daten fiel das Minus im Investitionsgüterbereich nun am größten aus.
Auftragseingang Export: Auch das Exportgeschäft war im Berichtsmonat rückläufig, da die Nachfrage sowohl in Europa als auch in Asien (insbesondere in China) erneut gesunken ist. Obwohl immer noch relativ kräftig blieb die Schrumpfungsrate im Großen und Ganzen gegenüber dem Vormonat unverändert und fiel weniger stark aus als die des Gesamt-Auftragseingangs.
Geschäftsaussichten: Deutschlands Hersteller blicken immer pessimistischer in die Zukunft. Demnach sanken die Geschäftsaussichten auf den niedrigsten Stand seit sieben Monaten, blieben allerdings noch deutlich über den Tiefstwerten von September und Oktober 2022. Rund 28 Prozent der Umfrageteilnehmer rechnen mit Produktionseinbußen in den nächsten zwölf Monaten und verwiesen in diesem Zusammenhang auf eine ganze Reihe von Faktoren wie zum Beispiel die hohe Inflation, die steigenden Zinsen, die geopolitischen Spannungen und die generelle Unsicherheit vieler Kunden. Demgegenüber rechnen 20 Prozent der EMI-Umfrageteilnehmer mit Zuwächsen.
Beschäftigung: Der Personalaufbau ist im Juni fast zum Erliegen gekommen. So fiel das jüngste Plus nur marginal aus und so geringfügig wie nie zuvor in der seit 28 Monaten andauernden Wachstumsphase. Die Zuwächse beschränkten sich fast ausschließlich auf den Investitionsgüterbereich, doch auch hier schwächten sich diese merklich ab.
Einkaufspreise: Die durchschnittlichen Einkaufspreise in der Industrie sind im Juni erneut zurückgegangen und damit den fünften Monat in Folge. Zudem beschleunigte sich der Rückgang ein weiteres Mal und fiel so deutlich aus wie seit Juli 2009 nicht mehr. Viele EMI-Umfrageteilnehmer berichteten, dass mehr und mehr Zulieferer angesichts der geringen Nachfrage und des dadurch entstehenden Überangebots am Markt ihre Preise gesenkt haben. Daneben verwiesen einige auf den Einfluss der rückläufigen Energiekosten.
Verkaufspreise: Nachdem er sich im Mai der neutralen Schwelle von 50,0 Punkten schon angenähert hatte, rutschte der saisonbereinigte Teilindex Verkaufspreise im Juni schließlich unter die Referenzlinie und signalisierte damit den ersten Rückgang der Verkaufspreise seit über zweieinhalb Jahren. Unternehmen, die ihre Preise reduzierten, begründeten dies meist mit dem Wettbewerbsdruck sowie der Weitergabe niedrigerer Kosten insgesamt. Hersteller von Vorleistungsgütern gewährten die kräftigsten Nachlässe, während im Konsum- und Investitionsgüterbereich immer noch leichte Steigerungen verzeichnet wurden, wenngleich diese so gering ausfielen wie seit Januar 2021 nicht mehr.
Über den EMI: Der HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland (EMI) gibt einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie. Er ist eine Momentaufnahme der Geschäftssituation im Verarbeitenden Gewerbe und ein gewichteter Durchschnitt der Messwerte für Neuaufträge, Produktion, Beschäftigung, Lieferzeiten und Vormateriallager. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des BME. Er wird von S&P Global, einem börsennotierten US-amerikanischen Finanzdienstleistungskonzern, erstellt und beruht auf der Befragung von rund 500 Einkaufsleitern und Geschäftsführern der Verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (S&P Global US Manufacturing PMI).