IntegrityNext und BME veröffentlichen Studie zum LkSG
Schlechte Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit, Umweltsünden und Bestechlichkeit: In Zeiten globaler Lieferketten tragen Unternehmen erhebliche Verantwortung, der sie nicht immer, trotz guten Willens, gerecht werden können. Angesichts des am 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) befasst sich die aktuelle Studie von IntegrityNext, Spezialist für ESG-Risikomanagement, in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), mit der Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Lieferkette deutscher Unternehmen und hat dazu 242 Mitglieder des BME befragt.
Das LkSG soll helfen, nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu etablieren. Es regelt die Sorgfaltspflichten der Unternehmen bezüglich ihrer Lieferkette. Dem Gesetz unterliegen alle Unternehmen mit Sitz in Deutschland und mehr als 3.000 im Inland Beschäftigten; ab dem 1. Januar 2024 gilt es auch für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeiter:innen.
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch nachhaltige und transparente Lieferketten
Die Beweggründe, Nachhaltigkeit in der Lieferkette zu etablieren, sind bei den für die Studie befragten Personen unterschiedlich, lassen sich aber in drei Kategorien gliedern: Einhaltung von Gesetzen (56 Prozent), Überzeugung bzw. gesellschaftliche Verantwortung (40 Prozent) sowie Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit (34 Prozent). Die drei wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen sind Umweltschutz (87 Prozent), Menschen- und Arbeitsrechte (84 Prozent) und Arbeitssicherheit (68 Prozent).
Die zentrale Grundvoraussetzung für die Identifizierung von sowie den erfolgreichen Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken in der Lieferkette ist ein hoher Transparenzgrad. Elf Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie eine vollständige Transparenz von Nachhaltigkeitsrisiken über ihre unmittelbaren Lieferanten haben; 65 Prozent haben teilweise Einblicke in ihre unmittelbaren Lieferketten. Gar keine Transparenz haben nur 16 Prozent der Interviewten.
Im Rahmen der Studie wurden die teilnehmenden Unternehmen zum neuen LkSG befragt. Insgesamt geben 38 Prozent der teilnehmenden Unternehmen an, ihre Lieferanten bereits heute auf der Basis von Nachhaltigkeitsparametern zu bewerten. Bei Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden fällt der Wert mit 25 Prozent deutlich niedriger aus als bei größeren Firmen (47 Prozent). Allerdings ist auch bei KMU die Bereitschaft zu erkennen (45 Prozent), künftig eine solche Evaluierung vorzunehmen.
Gleiches gilt in Bezug auf die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten. Große Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden veröffentlichen in etwa 57 Prozent der Fälle einen Nachhaltigkeitsbericht, während der Anteil bei Firmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten mit etwa 15 Prozent niedriger ausfällt.
Unternehmen setzen beim Risikomanagement vermehrt auf technologische Lösungen
Ein Risikomanagementsystem kann Grundlage einer erfolgreichen Erfassung und Einschätzung von Nachhaltigkeitsaspekten in Lieferketten darstellen. Laut Studie gaben 78 Prozent der Befragten an, bereits ein Risikomanagementsystem implementiert zu haben oder dies derzeit zu planen, um Nachhaltigkeitsrisiken in der Lieferkette zu identifizieren.
33 Prozent der Befragten setzen beim Risikomanagement auf Technologie. Weitere 42 Prozent planen deren Einsatz, um Nachhaltigkeitsrisiken in ihrer Lieferkette zu identifizieren und zu analysieren. Als Gründe für die Nutzung wurden die Vereinfachung von Prozessen (64 Prozent), Zeitersparnis (63 Prozent), Skalierbarkeit (38 Prozent) sowie Kostenersparnis (15 Prozent) genannt.
Unternehmen stehen noch vor großen Herausforderungen bei der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
Fast zwei Drittel der Umfrageteilnehmenden sind direkt vom LkSG betroffen. Für den Rest ergeben sich keine gesetzlichen Pflichten. Dennoch möchten 87 Prozent dieser Firmen die Anforderungen des LkSG trotzdem ganz (30 Prozent) oder zumindest teilweise (57 Prozent) umsetzen.
Die Gründe für KMU, ihre Lieferketten zu überwachen und zu kontrollieren, sind vielfältig. Wertegeleitete Gründe wie soziale Verantwortung (61 Prozent) oder Überzeugung (46 Prozent) spielen eine wichtige Rolle. Aber auch der zunehmende Druck durch Kunden (51 Prozent), Investoren und andere Stakeholder (15 Prozent) wurde genannt. Nicht zuletzt sieht die Hälfte der Befragten die Auseinandersetzung mit dem LkSG bereits als sinnvolle Vorbereitung für die geplante EU-Lieferkettenrichtlinie (54 Prozent), die für deutlich mehr Unternehmen gelten soll als das LkSG.
Im Hinblick auf Compliance und juristische Fragen fühlt sich aktuell eine relativ große Zahl der befragten Unternehmen gut oder sehr gut aufgestellt (37 Prozent). Große Defizite bestehen nach wie vor hinsichtlich der technischen Umsetzung. 55 Prozent der Umfrageteilnehmenden schätzen ihre Ausgangslage hier als schlecht oder sehr schlecht ein. Ähnlich schwach fällt die Bilanz bezüglich der Einbettung relevanter Prozesse in bestehende organisatorische Strukturen und Abläufe aus – hier erkennen 51 Prozent Nachholbedarf in der eigenen Organisation.
Das LkSG beinhaltet neun sogenannte Kernanforderungen. Auch in Bezug auf diese bestehen laut Selbsteinschätzung der für die Studienteilnehmer:innen noch erhebliche Lücken. Ein Risikomanagementsystem sowie regelmäßige Risikoanalysen bilden das Herzstück des LkSG. Hier fühlen sich 38 Prozent (Risikomanagement) bzw. 29 Prozent (Risikoanalysen) der Unternehmen ausreichend gut aufgestellt.
Mit Blick auf Präventions- und Abhilfemaßnahmen, Sorgfaltspflichten bei mittelbaren Zulieferern und die Berichterstattung tun sich viele der Firmen ebenfalls schwer. Hinsichtlich der Umsetzung einmaliger Maßnahmen, wie der Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit (49 Prozent, sehr gut bis eher gut), der Verabschiedung einer Grundsatzerklärung (44 Prozent, sehr gut bis eher gut) und der Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (43 Prozent, sehr gut bis eher gut), schneiden die Teilnehmenden noch verhältnismäßig gut ab.
„Es ist höchste Zeit für die deutsche Wirtschaft, zu handeln und die Einhaltung von Standards bei sozialen Rahmenbedingungen und Umweltaspekten entlang der globalen Wertschöpfungsketten noch aktiver anzugehen. Konkret geht es für die Unternehmen darum, ihre internationalen Wertschöpfungsketten auf den Prüfstand zu stellen“, betont BME-Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena Melnikov. Damit sorgten sie für mehr Transparenz und Nachhaltigkeit. Dazu müssten sie sich aber intensiver denn je mit zentralen Themen wie Lieferanten-Monitoring, Risikomanagement und Supply Chain Visibility auseinandersetzen.
Nick Heine, Mitgründer und COO von IntegrityNext, ergänzt: „Globale Lieferketten zu überwachen ist eine Mammutaufgabe, die langfristig nur mittels einer technologischen Lösung gelingen kann. Diese muss einerseits sicher und effizient sein und alle Eventualitäten abdecken, die in komplexen Lieferketten auftreten können. Und sie muss sich andererseits mit wenig Aufwand und nahtlos in die bestehenden Systeme und Prozesse der Unternehmen einfügen lassen. Nur so können Unternehmen jeder Größe dem LkSG gerecht werden, ohne die eigene Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsposition aufs Spiel zu setzen.“
Über die Studie:
Die schriftliche Online-Umfrage wurde im Zeitraum von September bis Anfang November 2022 durchgeführt und richtete sich in erster Linie an die Mitgliedsunternehmen des BME e.V. Die Teilnehmerquote lag bei 242. Befragt wurden unter anderem Leitende Angestellte. Der Schwerpunkt der Studie lag auf Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe, die häufig besonders komplexe Lieferketten aufweisen.
Über ein Drittel der teilnehmenden Firmen hat weniger als 1.000 Mitarbeiter – im Rahmen dieser Studie als KMU definiert – und ist somit nicht direkt vom LkSG betroffen. Für die Auswertungen wurden nur tatsächlich beantwortete Fragen berücksichtigt.
Hinweis: Den Web-Link zur Studie finden Sie hier