20.08.2020Veranstaltungen

3. Disrupting Procurement: Digitaler Faktencheck

Digitale Transformation – Vision vs. Realität stand als Thema über der Digitalkonferenz des BME. Die beliebte Veranstaltung fand in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie im virtuellen Raum statt. Mehr als 200 Teilnehmer waren über zwei Tage per Stream live dabei.

Disrupting oder Disruptive Procurement? Das war schon im vergangenen Jahr die Frage – und so mancher Referent oder Moderator konnte sich auch in diesem Jahr wieder nicht so ganz entscheiden, ob der Einkauf denn nun selbst eine Art „zerstörerische Kraft“ im positiven Sinne zu entfachen imstande sei, oder er aber wegen allzu großer Passivität Gefahr läuft, im Strudel der Digitalisierung unterzugehen. So oder so: Wer sich (erneut) zu dieser mittlerweile etablierten BME-Fachkonferenz angemeldet hat, die in diesem Jahr ausschließlich digital stattfand, will beide Seiten verstehen und von den Erfahrungen anderer lernen. Denn mittlerweile gibt es auch in der Einkaufspraxis eine größere Zahl von Anwendungsfällen rund um KI, RPA, smart, agil & Co.

Zwei inhaltliche Schwerpunkte bei Disrupting Procurement

Die zweitägige Veranstaltung folgte zwei inhaltlichen Schwerpunkten: Technologie und Organisation bzw. Technologie und Mensch. „Denn eine Technik, die kein Mensch nutzt, nutzt am Ende bekanntlich keinem Menschen“, stellte Co-Moderator Michael Schürmann, Vice President Indirects bei der Körber AG treffend fest. Die Inhalte der technologischen Themen fokussierten dabei erfreulicherweise nicht nur auf Projektionen und Prognosen, sondern spielten sich im Hier und Jetzt ab und boten so den Teilnehmern die Chance eines möglichst realitätsnahen digitalen Faktenchecks: Wie hilft mir KI bei der Lieferantensuche und was bringt mir das? Warum ist RPA unbedingt auch was für Mittelständler und sollte niemals outgesourct werden? Warum ist Process Mining mehr als eine klassische Wertstromanalyse, das aber trotzdem nicht ohne Kenntnis der eigenen Prozesse funktioniert? Ganz getreu dem Veranstaltungsmotto „Vision vs. Realität“.

Von der Hierarchie zum Netzwerk

Dabei wurde deutlich, dass der digitalisierte Einkauf ein (zunehmend) technischer ist. Wer KI sourcen möchte, muss sich klarmachen, dass das kein gewöhnlicher Beschaffungsvorgang wird, sondern ein Datenprojekt. Wer Machine Learning in der Procurement-Praxis wertschöpfend einsetzen möchte, muss zumindest die Grundzüge von neuronalen Netzwerken und Deep Learning verstehen. Und wer das alles nutzenstiftend einsetzen will, der muss sich dabei möglicherweise von der stromlinienförmigen Projektorganisation verabschieden („KI-Projekte sind schwer bis nicht planbar“). Um Herausforderungen wie diese drehte sich der zweite Schwerpunkt der Disrupting Procurement 2020. Wie organisiere ich diesen Umbruch? Oder besser: Wie organisiere ich den Umbruch für den Umbruch? Ausgewählte Beispiele aus der Einkaufspraxis zeigten, wie aus teils klassisch hierarchisch organisierte Einkaufsabteilungen binnen zwei Jahren agile Netzwerkorganisationen wurden („nicht die Organisationsstruktur, sondern das Führungsverständnis verändern“) oder wie sich das Procurement die Arbeitsweise eines Start-ups aneignete, um Innovationen voranzutreiben (BIP-Leser wissen übrigens mehr: BIP 3/2020, S. 37)

Herausforderung Einkauf von Technologie

Und wer sich mit der Transformation der eigenen Organisation bereits auf einem guten Wege wähnt, der erfuhr bei der Konferenz gleich noch etwas zur erfolgreichen Zusammenarbeit mit Technologieunternehmen. „Haben wir als Einkäufer überhaupt das Zeug dazu, digitale Technologien einzukaufen?“ lautete die Gretchenfrage, die Co-Moderator Jan-Henner Theißen, Einkaufs- und Transformationsexperte, stellte und gleichsam den Finger in die Wunde legte. Die Erfahrungen zeigten, dass dies nämlich gleich aus mehreren Gesichtspunkten (heterogene Landschaft der KI-Unternehmen, iterative Arbeitsweise in gemeinsamen Projekten, Leistungsumfang oft unklar) herausfordernd ist. Drei Fragen sollten Einkäufer laut den Experten beim Sourcing von Technologie ihrem Gegenüber zwingend stellen: Welche Daten brauche ich? Welche Ergebnisse kann ich erwarten? Welche Alogrithmen/Prozesse nutzen Sie? „Und lehnen Sie die Zusammenarbeit mit denen ab, die angeblich alles lösen können.“ Schließlich bekamen die Teilnehmer noch ein Bild davon, wie sich Verträge mit Start-ups sinnvoll gestalten lassen bzw. wie sich agiles Arbeiten in Verträgen abbilden lässt (auch hier sei ein BIP-Verweis gestattet, nämlich der auf die kommende Ausgabe 4-5/2020, die am 29. August erscheint und dieses Thema ebenfalls aufgreift).

Disrupting Procurement 2020: Einfach mal machen

Unterm Strich bleibt als Conclusio: Nicht abschrecken lassen von der technischen und organisatorischen Komplexität der digitalen Transformation im und des Einkauf(s). Wer „einfach mal macht“, sich Teilziele setzt, seinen Fortschritt aber auch misst und Vorhaben gegebenenfalls wieder verwirft, wird auf alle Fälle wertvolle Erfahrungen sammeln. Und wer weiß, vielleicht kann er oder sie diese bereits 2021 bei der 4. Disrupting Procurement vorstellen. Dann auch hoffentlich wieder in der dritten Dimension. Save the date: 4. Disrupting Procurement am 20./21. April 2021, Ameron Hotel Spreebogen Waterside, Berlin Tobias Anslinger, BME