28.10.2021Politik & Wirtschaft

Aufschwung droht ausgebremst zu werden

DIHK stellt Umfrageergebnisse für den Herbst 2021 vor. Danach ist der wirtschaftliche Erholungsprozess erheblich geschwächt. Mit einem nachhaltigen, investitionsgetriebenen Aufschwung sei nicht zu rechnen.

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist derzeit gut, doch die Aussichten sind enttäuschend. Der DIHK sieht den Erholungsprozess erheblich geschwächt und rechnet nicht mit einem nachhaltigen, investitionsgetriebenen Aufschwung. Vor allem die Faktoren Energiepreise, Rohstoffengpässe und Fachkräftemangel sind die entscheidenden Risiken. Das sind die Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), an der sich rund 28.000 Unternehmen beteiligt haben. „Die Unternehmen schätzen ihre aktuelle Geschäftslage zwar deutlich besser ein als noch im Frühsommer“, berichtet DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben von den Ergebnissen der Erhebung. „Hier kommt der Schwung des Sommers nach dem Lockdown zum Tragen. Allerdings sind die Erwartungen an die kommenden zwölf Monate niedriger, als es für einen nachhaltigen Aufholprozess notwendig wäre.“ Es sei damit klar: „Vor Ende nächsten Jahres werden wir das Vorkrisenniveau kaum erreichen. Es wird eine große Herausforderung, auf einen tragenden Wachstumspfad einzumünden.“ Der sei aber notwendig, um die Klimapolitik in Deutschland umzusetzen oder auch die demografische Belastung zu stemmen. Bei den Erwartungen der Unternehmen schlagen in der Umfrage quer durch alle Branchen und Regionen viele Geschäftsrisiken durch, die sich nicht schnell lösen lassen. Als besondere Hürden beschreiben die Betriebe die hohen Energie- und Rohstoffpreise sowie strukturelle Herausforderungen wie den Fachkräftemangel oder den Klimaschutz. Der DIHK senkt seine Wachstumsprognose für 2021, die im Frühsommer noch bei 3,0 Prozent gelegen hatte, daher auf 2,3 Prozent. „Das Aufholwachstum flacht ab. Für das kommende Jahr erwarten wir ein BIP-Wachstum von 3,6 Prozent”, so der DIHK-Hauptgeschäftsführer. Davon entfallen 1,6 Prozentpunkte auf statistische Effekte. „Das tatsächliche Wachstum beläuft sich im nächsten Jahr auf lediglich zwei Prozent.“, so Wansleben.

Aktuelle Situation überdurchschnittlich

Ihre derzeitige Geschäftslage beurteilen 43 Prozent der Unternehmen als gut, nur noch 14 Prozent als schlecht. Der Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen springe damit von zwei Punkten in der Vorumfrage auf nunmehr 29 Punkte. Die positive Lageeinschätzung werde von allen Wirtschaftsbereichen geteilt, falle aber unterschiedlich stark aus. Am deutlichsten aufgehellt sei die aktuelle Lagebewertung bei den Branchen, die am meisten und längsten mit Einschränkungen ihres Geschäftsbetriebes in der Corona-Pandemie zu kämpfen hatten: Im Handel klettere der Lagesaldo von minus drei auf 25 Punkte, bei den Dienstleistern von minus elf auf 25 Punkte. Besonders gut sei die Stimmung mit einem Saldo von 51 (nach zuvor 41) Punkten weiterhin im Baugewerbe, doch auch die Industrie meldete gegenüber dem Frühsommer Verbesserungen (35 nach zuvor 25 Punkten).

Zukunftserwartungen deuten nicht auf fulminanten Neustart

Immerhin verbessern sich dennoch auch die Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate: Der Saldo aus „Besser“- und „Schlechter“-Bewertungen, der in der Vorumfrage nur mit einem Punkt im Plus lag, beträgt nun zehn Punkte. Angesichts des immensen Aufholbedarfes schätzt Wansleben die Erwartungen dennoch als verhalten ein. „Insgesamt macht sich nach einem kurzen Aufschwung schon jetzt Ernüchterung breit“, so der DIHK-Hauptgeschäftsführer, und er warnt: „Wir schwenken in einen flachen Wachstumspfad ein. Das reicht nicht aus, um die vielfältigen und vielschichtigen Herausforderungen zur Überwindung der Krise und des Strukturwandels zu meistern.“ So rechnet vor allem die Industrie im Vergleich zum Frühsommer kaum mit einer stärkeren Belebung (Saldo von 17 nach zuvor 16 Punkten). Hier schlage durch, dass trotz voller Orderbücher viele Unternehmen die Aufträge nicht abarbeiten können. Auch mache sich eine Stimmungseintrübung vor allem bei den energie- und rohstoffintensiven Vorleistungsgüterherstellern bemerkbar. Im Bau und beim Handel verbessern sich die Erwartungen für die kommenden Monate auf niedrigem Niveau: Bei den Bauunternehmen bleiben die Skeptiker wegen der Energie- beziehungsweise Rohstoffpreise und wegen des Fachkräftemangels in der Überzahl (Saldo minus sieben nach zuvor minus 14 Punkten); der Handel erreiche einen Saldo von einem Punkt nach minus zehn Punkten. Die Dienstleister blickten angesichts wegfallender pandemiebedingter Einschränkungen wieder deutlich optimistischer in die Zukunft als im Frühsommer (zwölf nach zuvor minus zwei Punkten).

Größte Herausforderungen: Engpässe bei Personal und Rohstoffen

Bei den Geschäftsrisiken haben sich die Gewichtungen verschoben: Zentrales Problem sei derzeit der Fachkräftemangel, den 59 Prozent (nach zuvor 43 Prozent) als Geschäftsrisiko einstufen, dicht gefolgt von den Energie- und Rohstoffpreisen (58 Prozent nach zuvor 42 Prozent). Auch das Geschäftsrisiko Arbeitskosten (40 Prozent nach zuvor 34 Prozent) steige wieder an. Hingegen haben die konjunkturellen Risiken aus Sicht der Unternehmen an Bedeutung verloren: Das Risiko einer schwächelnden Inlandsnachfrage (36 Prozent nach zuvor 48 Prozent) habe ebenso abgenommen wie Risiken in Bezug auf die Auslandsnachfrage oder die Finanzierung. „Die Unternehmen möchten produzieren, können häufig aber nicht“, bringt Wansleben das Dilemma auf den Punkt. „Die Sorgen um die Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise erreichen einen neuen Höchststand und bremsen die Geschäftserwartungen in besonders energie- und rohstoffintensiven Wirtschaftsbereichen deutlich.“ Gleichzeitig mache der Fachkräftemangel vor allem Branchen wie dem Bau, der Gastronomie, den Beherbergungsbetrieben oder den Logistikern enorm zu schaffen.

Exporterwartungen mit Luft nach oben

Die Exporterwartungen der deutschen Industrieunternehmen hellen sich unter dem Strich etwas auf und erreichen einen „Höher“-„Geringer“-Saldo von 21 nach zuvor 17 Punkten. Damit liegen sie aber nur leicht über dem langjährigen Schnitt von 19 Punkten: „Nach dem deutlichen Rückgang der Ausfuhren im vergangenen Jahr geben die exportorientierten Unternehmen insgesamt eine durchwachsene Einschätzung ab. Insbesondere energie- und rohstoffintensive Unternehmen reduzieren ihre Erwartungen. Demnach verzögert sich der Aufholprozess nach der Krise.“ So Wansleben. Dennoch: Im Laufe des Jahres hab sich die Nachfrage aus dem Ausland nach dem Corona-bedingten Einbruch weiter erholt. So sehen nur noch 27 Prozent der Unternehmen in der Auslandsnachfrage ein Geschäftsrisiko – und damit so wenige wie zuletzt Anfang 2018.

Wiederanfahrende Produktion und Umweltschutz machen Investitionen notwendig

Eigentlich wollen die Unternehmen investieren. „Deshalb ist jetzt die Chance für die Politik, durch schnellere Genehmigungsverfahren oder Entbürokratisierung diese Absichten auch rasch Realität werden zu lassen”, so Wansleben. 31 Prozent der Betriebe planen eine Ausweitung ihrer Investitionen, 18 Prozent eine Kürzung. Damit steigt der Saldo nach zuvor null auf 13 Punkte und übersteigt auch das langjährige Mittel von vier Punkten. Getrieben werde die aufgehellte Investitionsstimmung insbesondere von der Industrie (Saldo 21 nach zuvor 13 Punkten). Dennoch könnten die Investitionspläne expansiver sein: Rohstoff- und Liefereng-pässe, aber auch der Fachkräftemangel behindern die Produktion und machen damit die tatsächliche Realisierung von Investitionsplänen teilweise wieder zunichte. So spürten gerade Industrieunternehmen, die mehr investieren wollen, einen höheren Fachkräftemangel und die Schwerfälligkeit der Bürokratie. Bei den Investitionsmotiven setze sich ein längerfristiger Trend fort, dass Unternehmen immer größere Aufwendungen für eine klima- und umweltfreundliche Produktion zu schultern haben. Über alle Wirtschaftszweige gewinnt der Umweltschutz gegenüber der Vorumfrage deutlich an Bedeutung (26 nach zuvor 21 Prozent), wie Martin Wansleben betont: „Zum einen macht sich bemerkbar, dass die Betriebe vielfach ihre Produktion in der Krise heruntergeschraubt haben und jetzt eine wieder gestiegene Nachfrage bedienen wollen. Zum anderen investieren die Unternehmen wegen der Verteuerung von Energie.“

Personalpläne im Plus

Und auch die Beschäftigungsabsichten der Unternehmen drehen wieder ins Plus. 22 Prozent (nach zuvor 16 Prozent) der Betriebe möchten Personal aufbauen, 13 Prozent rechnen mit weniger Beschäftigten (zuvor 19 Prozent). Damit liege der Saldo, der in den vorangegangenen vier Umfragen durchweg negativ war (zuletzt minus drei Punkte) mit neun Punkten auch wieder merklich über dem langjährigen Durchschnitt von null Punkten. „Dabei ist den Betrieben allerdings bewusst, dass die Einstellung neuer Beschäftigter häufig zur Herausforderung werden kann“, resümiert Martin Wansleben.