17.09.2021Politik & Wirtschaft

Bundestagswahl 2021: Lieferketten, Logistik, Öffentliche Beschaffung

Was haben die sechs Parlamentsparteien an Positionen und Forderungen in ihren Wahlprogrammen stehen, die die Arbeit von Procurement- und Supply-Chain-Verantwortlichen betreffen? BIP hat recherchiert.

Die Bundestagswahl 2021 steht vor der Tür, der Wahlkampf geht in die finale Phase. Welche Visionen und Vorstellungen die sechs im Bundestag vertretenen Parteien in Bezug auf Themen haben, die für Einkäufer, Logistiker und Supply Chain Manager relevant sind, hat sich die BIP-Redaktion einmal genauer angesehen und anhand der Oberthemen „Internationale Lieferketten“, „Logistik & Verkehr“ sowie „Öffentliche Beschaffung“ nebeneinandergestellt. Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Internationale Lieferketten

CDU/CSU wollen sich für eine EU-Regelung für Lieferketten einsetzen. Diese solle die „Standards des deutschen Lieferkettensorgfaltsgesetzes im EU-Binnenmarkt europaweit durchsetzen, aber nicht verschärfen“. So sollen unterschiedliche und damit unpraktikable Regelwerke verhindert und faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Die SPD verspricht, das nationale Lieferkettengesetz konsequent weiterentwickeln zu wollen. Gleichzeitig soll ein Gesetz zur Rückverfolgung auf dem Weltmarkt gehandelter Güter auf europäischer Ebene verankert werden, mit verbindlichen und sanktionsbewehrten Regeln, Zugang zu Gerichten in Europa und Entschädigung der Opfer. Ebenfalls unterstützt die Partei ein UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten, um die Globalisierung im Sinne der Menschenrechte zu gestalten. Bündnis90/Die Grünen erachten ebenfalls ein nationales und auch europäisches Lieferkettengesetz als notwendig, damit Unternehmen Umwelt- und Sozialstandards, Menschenrechte sowie Klima- und Artenschutz entlang der gesamten internationalen Wertschöpfungskette durchsetzen. Sie fordern Nachbesserungen am deutschen Gesetz, „zum Beispiel eine Ausweitung der erfassten Unternehmen, aber auch eine Erweiterung der umweltbezogenen Sorgfaltspflichten“. Darüber hinaus will sich die Partei auch auf europäischer Ebene für eine verbindliche Regelung in internationalen Lieferketten einsetzen. Von einem EU-Lieferkettengesetz fordern sie, dass es Waren aus Zwangsarbeit den Zugang zum Binnenmarkt ebenso verwehrt, wie es Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Die FDP tritt für eine einheitliche europäische Regelung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette ein. Sie ist der Ansicht, dass „deutsche und europäische Unternehmen bereits jetzt einen wichtigen Beitrag“ zur schrittweisen Verbesserung von Umwelt- und Sozialstandards in Entwicklungsländern liefern, allerdings weder die Marktmacht noch das Personal hätten, um die Einhaltung der Menschenrechte entlang ihrer Lieferketten weltweit zu garantieren. Im Wahlprogramm der AfD heißt es, dass „ideologisch motivierte Alleingänge wie das Lieferkettengesetz“ abgelehnt würden. Die Linke will ein „klimagerecht ausgerichtetes Lieferkettengesetz“, das das Pariser Abkommen sowie eigenständige umweltbezogene Sorgfaltspflichten für Unternehmen verankert. Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden sowie KMU in Risikobranchen sollen „verpflichtet werden, entlang ihrer gesamten Wertschöpfungsketten Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit und Umweltzerstörungen auszuschließen“. Auch eine zivilrechtliche Haftungsregel soll damit verbunden sein.

Logistik & Verkehr

Damit „Deutschland weiterhin ein Mobilitäts- und Logistikdrehkreuz in Europa“ bleibt, möchte die Unionsfraktion Lücken im Schienennetz schließen, Strecken elektrifizieren und mehr Kapazitäten schaffen. Investiert werden soll insbesondere in die Digitalisierung von Schiene und Fahrzeugen. Den kombinierten Verkehr mit multi-modalen Terminals wollen CDU/CSU ausbauen und das Bundesprogramm Zukunft Schienengüterverkehr ausweiten. Mittel für Maßnahmen zur Verbesserung des Schienengüterverkehrs des vordringlichen Bedarfs sollen im Bedarfsplan Schiene erhöht und weiterhin die Trassenpreise reduziert werden. Die Sozialdemokraten wollen in die Erneuerung und Digitalisierung von Loks und Waggons investieren. Bestehende Kostennachteile der Schiene gegenüber der Straße sollen parallel zum Kapazitätsaufbau im Schienengüterverkehr verringert werden. Außerdem will die SPD die Potenziale von Wasserstraßen stärker nutzen, um mehr Güterverkehr von der Straße auf das Wasser zu verlagern. Darüber hinaus will die Partei „Deutschland zu einem Zentrum der Batteriezellenfertigung und des Recyclings gebrauchter Batterien machen“ und die Forschung an der Wasserstoff-Brennstoffzelle unterstützen. Die Grünen möchten die Kombination von Straße, Schiene und Wasser ertüchtigen und Industrie und Gewerbe wieder ans Bahnnetz anschließen – auch in der Fläche. Sie kündigen an, „Investitionen in moderne Güterverkehrstechnik, intermodale Güterverkehrszentren und Umschlagterminals für den kombinierten Güterverkehr“ zu fördern und wollen zudem auf regionale Wirtschaftskreisläufe und die Chancen der Digitalisierung und Vernetzung bei der Organisation der Logistik setzen. Die Freien Demokraten setzen auf eine Trennung von Infrastruktur und Bahnbetrieb auf der Schiene. Der Betrieb soll privatisiert werden, das Netz im Eigentum des Bundes bleiben. Durch eine organisatorische Trennung könne sich der Bund auf die Bereitstellung und Modernisierung der Infrastruktur konzentrieren. Auf der Schiene wiederum sollten nach der Vorstellung der FDP Bahnunternehmen in Wettbewerb miteinander treten. Die Alternative für Deutschland will das Konzept der „Rollenden Landstraße“ und des Wechselbrückenumschlages für die Transitverbindungen durch Deutschland mit regelmäßigen Taktungen etabliert sehen. Darüber hinaus will die AfD das Netz an Verladestellen und multimodalen Güterverkehrszentren (Straße, Schiene und Wasserwege) verdichten. Die Linken lehnen die Zulassung von Lang-Lkw ebenso ab wie staatlich geförderte Projekte zur Erprobung und Einführung von Oberleitungen für Hybrid-Lkw mit Stromabnehmern auf Autobahnen. Öffentlichen Investitionen in die Schieneninfrastruktur will die Partei „um das Fünffache erhöhen“. Alle bisher nur von Dieselfahrzeugen befahrbaren Bahnstrecken müssten zügig elektrifiziert oder auf alternative und nachhaltige Antriebstechnologien umgestellt werden. Der Güterverkehr solle auch unter 300 Kilometer Entfernung wieder auf die Bahn, fordert die Partei.

Öffentliche Beschaffung

CDU/CSU fordern, dass die Bundesverwaltung ihr Handeln und so auch ihre Beschaffung an Nachhaltigkeitsindikatoren ausrichtet, die die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimensionen unseres Lebens bestmöglich abbilden. Dazu soll eine „verbindliche Nachhaltigkeitsprüfung für alle Gesetze anhand der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“ verankert werden. Die SPD will die öffentliche Beschaffung so ausrichten, dass sie „Innovationsimpulse setzt und den Zielen des sozial-ökologischen Wandels dient“. Hierfür sollen die Vergabekriterien stärker auf Innovation, Tarifbindung, Geschlechtergerechtigkeit und klimafreundliche Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Die öffentliche Hand müsse als große Abnehmerin von Produkten und Dienstleistungen Verantwortung übernehmen. Bündnis 90/Die Grünen haben sich zum Ziel gesetzt, die öffentliche Beschaffung konsequent auf die ressourcenschonendsten und sozial verträglichsten Produkte und Dienstleistungen hin auszurichten. Ausschreibungs- und Beschaffungskriterien sollen so angepasst werden, dass sozial-ökologisch nachhaltige Technologien vorrangig zum Einsatz kommen. Bei IT-Beschaffungen sollen Zertifizierungen zum Standard werden. Bei der FDP ist zur öffentlichen Beschaffung im Wahlprogramm nichts zu finden. Die AfD will Behörden verpflichten, das Beschaffungswesen an „langfristigen strategischen und sicherheitspolitischen Erwägungen“ auszurichten. Die Linke fordert, dass für die öffentliche Beschaffung strenge sozialökologische Vorgaben gelten in Bezug auf Arbeits- und Umweltschutz in den Herstellerländern, Langlebigkeit und Reparierbarkeit. Unternehmen, die gegen ihre Sorgfaltspflicht in der Lieferkette verstoßen, müssen von öffentlichen Aufträgen und der Außenwirtschaftsförderung ausgeschlossen werden_._