01.09.2020Strategien, Methoden & Tools

Supply Chain Finance: Mehr Cash, bessere Performance

Aktuelle Studie zum Working Capital Management zeigt: Unternehmen, die bereits seit der Finanz- und Wirtschaftskrise auch auf eine finanzielle Optimierung ihrer Supply Chain setzen, profitieren in der aktuellen Corona-Krise von Supply Chain Finance gleich doppelt.

Das Coronavirus hat die Finanzabteilungen vieler Unternehmen in den Krisenmodus schalten lassen. Seither gilt die Devise: „Cash is king.“ In den ersten Monaten der Pandemie richtete sich der Blick der Finanzchefs vor allem auf den Erhalt der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens und die Sicherung der Liquidität. Das bekam natürlich auch der Einkauf zu spüren – und weil das Procurement in vielen Unternehmen in der Finanzabteilung angesiedelt ist, oft sogar noch unmittelbarer als andere Bereiche. Investitionen wurden abgeblasen oder verschoben, nicht notwendige Ausgaben auf ein Minimum beschränkt.

Supply Chain Finance als Schwerpunkt der Studie

Ein zentraler Stellhebel zur Bewältigung dieser Herausforderung der Liquiditätssicherung ist ein zeitgemäßes Working Capital Management (WCM), das das Umlaufvermögen erhöht und in der Supply Chain gebundenes Kapital freisetzt. In der Regel erfolgt das WCM in Abstimmung mit vor- und nachgelagerten Stufen der Lieferkette, weswegen auch von „Supply Chain Finance“ (SCF) gesprochen wird. Entsprechende Angebote haben in der Corona-Krise für einen regelrechten Boom gesorgt. Bereits zum siebten Mal haben das SCF-Lab der Universität St. Gallen und Post Finance, das Finanzinstitut der Schweizerischen Post im Frühjahr 2020 eine WCM-Studie durchgeführt, deren Ergebnisse nun vorliegen. Zum dritten Mal infolge lag der Schwerpunkt auf dem Thema SCF.

Auswirkungen auf Lieferanten unzureichend beachtet

Um Liquidität zu generieren, haben Unternehmen als unmittelbare Maßnahme gegen die Krise versucht, Zahlungsziele mit Lieferanten neu zu verhandeln, um verzögerten oder ausbleibenden kundenseitigen Zahlungseingang entgegenzuwirken. Die Studienergebnisse zeigen allerdings, dass dabei mögliche negative Auswirkungen auf die Lieferanten entweder gar nicht oder nur unzureichend berücksichtigt wurden. Vor allem eine dadurch erhöhte Insolvenzgefahr mittelständischer Zulieferer wurden oft nicht beachtet. Die befragten Unternehmen berücksichtigten neben der strategischen Relevanz der Lieferanten- bzw. Kundenbeziehung insbesondere auch Branchendurchschnittswerte oder geografische Faktoren. Insolvenz- und Liquiditätsrisiken der Supply-Chain-Partner spielten zum Zeitpunkt der Erhebung (März 2020) eine eher untergeordnete Rolle.

Supply Chain Finance zahlt sich langfristig aus

Eine weitere interessante Erkenntnis ist, dass sich WCM-Maßnahmen vor allem langfristig auszahlen. Die finanzielle Performance der Unternehmen steigt. So deuten die Studienergebnisse darauf hin, dass Unternehmen, die sich seit der Finanz- und Wirtschaftskrise um ein konsequentes WCM unter Einbezug von SCF-Lösungen bemühen, heute eine wesentlich bessere Kapitalrendite aufweisen als Unternehmen, die das nicht tun (siehe Grafik). So ist bei Ersteren nicht nur die Kapitalbindungsdauer um durchschnittlich 28 Tage kürzer (44 Tage vs. 16 Tage), sondern auch der Return on Capital Employed (ROCE), also die Rendite auf das gebundene Vermögen, durchschnittlich um knapp 40 Prozent (9 Prozentpunkte) höher. Die Kennzahl ist vor allem Kapitalgebern wichtig.