29.05.2020Personal & Karriere

„Wir müssen deutlicher lächeln“

In seinen Shows, Vorträgen und Seminaren begeistert Stefan Verra jährlich Zehntausende Menschen für Körpersprache. Im Gespräch mit BIP gibt der Österreicher Tipps für den Einsatz und die Signale von Körpersprache – mit und ohne Mund-Nasen-Schutzmasken.

Herr Verra, eine alte Präsentationsweisheit sagt: Der erste Eindruck prägt, der letzte Eindruck bleibt. Gilt das auch für die Körpersprache? Stefan Verra: Der erste Eindruck prägt tatsächlich. Das hat einen evolutionären Hintergrund. Es ist aber nicht so, dass der letzte Eindruck dann daraus etwas anderes machen würde. Oft bezieht sich diese Aussage auf Präsentationen, bei denen am Schluss nochmals ein lustiges Foto oder Video gezeigt wird, das den Zuhörern in Erinnerung bleiben soll. Körpersprachlich lässt sich aber nicht bestätigen, dass der letzte Eindruck bleibend wäre. Warum ist es so, dass der erste Eindruck so besonders prägt? Weil wir andere Menschen, Situationen oder auch Räume binnen weniger Sekunden einschätzen müssen: Ist es hier gefährlich oder gibt es vielmehr Ressourcen, die ich ausschöpfen kann? Das kann sich heute natürlich auch auf geistige Ressourcen beziehen. Deshalb an dieser Stelle schon ein erster Tipp: Überlegen Sie sich genau, wie und in welchen Räumen Sie Verhandlungspartner empfangen! Was zählt eigentlich alles zur Körpersprache? Mimik, Gestik, Körperhaltung und -bewegung. Aber auch alles, was vom Menschen geschaffen wurde und auf dem visuellen Kanal des anderen „funkt“ – also: Kleidung, Schmuck, Accessoires, Autos. Das sind alles Beispiele für die „externalisierte Körpersprache“. Zusammenfassend kann man sagen: Zur Körpersprache zählt alles, mit dem man – bewusst oder unbewusst – auf andere visuell wirkt. Was sind die Kenngrößen der Körpersprache? Frequenz und Amplitude – also das Tempo und der Umfang der Bewegungen. Es ist ein Unterschied, ob Sie schnellen Schrittes oder ganz langsam auf mich zukommen. Oder ob jemand auf der Autobahn von hinten auf einen zu rast, oder langsam näherkommt und wartet, bis er überholen kann. Sie sagen, dass bestimmte körpersprachliche Signale wie Armeverschränken nicht per se immer gut oder immer schlecht sind. Warum? Weil ein einzelnes Signal in der Körpersprache keine Bedeutung hat! Das ist ein wichtiger Grundsatz. Der Körper ist ein System. Man kann nicht immer nur einen Teil betrachten. Man kann auch nicht anhand eines Zündschlosses das Auto erkennen und dann auch noch ablesen, in welchem Zustand es ist. Das Gleiche gilt für die Körpersprache. Verschränkte Arme können Verschlossenheit signalisieren, eine Abwehrhaltung sein – aber auch ein Flirtsignal sein! Es kommt immer darauf an, was der Rest des Körpers macht. Sitzen Sie als Einkäufer also ruhig mit verschränkten Armen da, wenn der Lieferant präsentiert. Solange Sie ihm durch andere Zeichen wie etwa Augenkontakt, interessiertes Nicken, Zugewandheit und Lächeln signalisieren, dass Sie ihm zuhören, ist alles prima. Heißt das, man sollte vorsichtig sein, von Körpersprache psychologische Schlüsse zu ziehen? Manche Psychologen versuchen, in andere Menschen reinzuschauen und herauszulesen, was in ihnen gerade vorgeht. Das können aber nur Chirurgen und Zahnärzte (lacht). Ich kann nicht Ihren Liebeskummer fühlen. Das können nur Sie selbst. Ich kann meinen Liebeskummer fühlen oder versuchen, mich in Sie reinzuleben, aber mehr nicht. Das hat schon der Philosoph Ludwig Wittgenstein festgestellt. Für die Körpersprache heißt das: Ich kann immer nur äußere Signale erkennen und davon abgeleitet Mutmaßungen anstellen. Hineinschauen in einen Menschen können wir nicht, auch nicht anhand von Körpersprache. Auf welches körpersprachliche Signal sollten Einkäufer in Verhandlungs- oder Gesprächssituationen bei ihrem Gegenüber achten? Schauen Sie, wo sich die Körperachsen hindrehen. Achten Sie auf die N-N-Regel (siehe Fotos, Anm.d.Red.). Wenn Ihr Gegenüber wenig Interesse an Ihnen hat, dann schaut er Sie nur aus den Augenwinkeln an. Wenn er etwas mehr Interesse hat, dreht er Ihnen, das erste N, die Nase zu. Und wenn es dann wirklich interessant wird, dreht er Ihnen auch noch das zweite N, den Nabel, zu. Diese Grundregel lässt sich in vielen Situation beobachten, aber natürlich auch selber anwenden. Wo lässt sich ansetzen, um in Verhandlungen zwar seine Positionen durchzusetzen, aber trotzdem nicht unsympathisch zu wirken? In der Tendenz geht es in der Verhandlung immer um eine Frage: Kommen wir uns näher oder nicht? Wer zu sehr auf Druck und Nachdruck setzt, wirkt unsympathisch und baut Hemmnisse auf. Vor allem in längeren Verhandlungen kann man daher nicht nur Druck aufbauen. Irgendwann will ich ja, dass mein Gegenüber „ja“ zu mir sagt. Deshalb lautet die goldene Regel: Achte zuerst auf Sympathie und nur in den wenigen Momenten, wo es wirklich um was geht, signalisiere deine Kompetenz. Die meisten Menschen machen das genau umgekehrt. Die wollen zuerst ihre Dinge durchsetzen und bei der Verabschiedung hinterher kommt dann vielleicht ein lustiges oder nettes Wort. Unser Gehirn will aber zuallererst das Gefühl haben, dass mein Gegenüber nicht gefährlich ist. Und wie gehe ich dabei vor? Erster Tipp: Achten Sie auf Asymmetrie in der eigenen Körpersprache: Sitzen Sie so, dass die Körperhälften nicht gleich sind. Das signalisiert Lockerheit und zeigt, dass Sie nicht auf einen Kampf eingestellt sind. Zweiter Tipp: Bewegen Sie sich, also wechseln Sie öfter Ihre Position. Dritter Tipp: Lächeln Sie mehr. Geben Sie dem Gegenüber das Gefühl, nett miteinander zu sein, egal wie ernst das Business auch ist. Und wenn dann der eine Moment kommt, in dem Sie sich durchsetzen müssen, wechseln Sie von der Asymmetrie in die Symmetrie: aufrecht hinsetzen, Lächeln einstellen, ruhige Körpersprache. Dieser Wechsel ist es, der die Wirkung beim Gegenüber erzeugt. Achten Sie zusätzlich darauf, schwingende Bewegungen nach unten zu machen und die Fingerspitzen dabei sanft auf der Tischplatte abzulegen. Das schafft Vertrauen. Kommen wir noch zu unserem „neuen Alltag“: Wie sollen wir Mitmenschen gegenüber auftreten, wenn unsere Mimik teilweise durch Mund-Nasen-Schutzmasken versteckt ist? Mit Mund-Nasenschutz wird jeder Blickkontakt schnell mal starrend bis aggressiv. Es fehlt ganz einfach die Information der Mundmimik. Das kann jetzt jeder selbst beobachten. Es gibt dazu nur einen Ausweg: Wir müssen deutlicher lächeln. Das machen wir, indem wir die Wangenmuskeln so stark nach hinten ziehen, sodass rund um die Augen Lachfältchen entstehen. Dann wirkt der Blickkontakt sogar über die Maske sympathisch. Im Übrigen täte es uns gut, das auch nach der Maskenpflicht beizubehalten. Warum das? Das zurückhaltende aristokratische Lächeln wirkt nicht sympathisch – es wirkt überheblich. Nicht das stupide Dauergrinsen macht attraktiv. Sondern das deutliche Lächeln wirkt gewinnend. Mit und ohne Maske. Worauf soll ich in einem Gespräch, in dem beide Gesprächspartner Mund-Nasen-Schutzmasken tragen, noch achten? Wenn wir miteinander sprechen, hören wir die Worte nicht nur, sondern lesen sie auch von den Lippen des Gegenübers ab. Das erhöht das Verständnis. Nun aber fehlt dieser Blick auf den Mund. Damit werden Missverständnisse deutlich wahrscheinlicher. Meine Empfehlung deswegen: Wenn man etwas sagt, sollte man genau beobachten, ob das Gegenüber die Botschaft verstanden hat. Körpersprachliche Signale wie Nicken, Augenbrauenbewegungen oder eine Körperdrehung sind typische Zeichen dafür Macht uns das körperliche Distanzhalten uns unsicher? Etwa wenn Menschen, die in ihrer Körpersprache normalerweise die Nähe suchen, jetzt Abstand halten müssen? Das macht uns tatsächlich zu schaffen. Wenn wir im Supermarkt wieder einmal die Hefe nicht gefunden haben, haben wir den Menschen, der drei Meter weiter gestanden ist, gefragt. Automatisch hat man sich diesem Menschen dabei etwas angenähert. Nun aber wissen wir, dass wir Nähe meiden sollen, deswegen reden wir den Menschen neben uns erst gar nicht an. Der Mensch verbindet Kommunikation automatisch mit Distanzverringerung. Es fällt uns schwer, das voneinander zu trennen. Deswegen wird es auf Dauer schwer werden, die 1,5-Meter-Regelung im Alltag durchzusetzen. Deshalb weicht die Politik auf die Maskenpflicht aus, obwohl die Wissenschaft bestätigt, dass Abstand effektiver wäre. Vielen Menschen arbeiten seit Wochen von zu Hause aus. Wie lauten Ihre Tipps für die perfekte Videokonferenz im Homeoffice? Achten Sie darauf, dass der andere einen Eindruck von Ihnen bekommt. Das funktioniert am besten, wenn man sich von Kopf bis etwa Bauch zeigt. So sind nämlich Mimik und auch Gestik erkennbar. Hektische Bewegungen wirken am Bildschirm des Videochatteilnehmers unangenehm. Das heißt aber nicht gänzlich auf Bewegung zu verzichten. Dadurch nämlich wirkt man unbeteiligt und unnahbar. Lieber große und langsame Gesten zeigen. Und wie ist das mit dem Blickkontakt in Videokonferenzen? Auf den gilt es auch in Videocalls zu achten. Dazu müssen Sie aber etwas Befremdliches machen: Nämlich den anderen nicht anschauen. Wer nämlich auf das Display schaut, schaut an der Kameralinse vorbei. Wer seinem Gegenüber aber Blickkontakt vermitteln will, muss seinen Blick direkt in die Linse halten. Das hat eine enorme Wirkung. Das Gespräch führte Tobias Anslinger, BME

Zur Person: Stefan Verra

Der 47-jährige Österreicher Stefan Verra ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten im europäischen Raum. Mit seiner ganzheitlichen Methodik, sich bei der Analyse der Körpersprache nicht in bruchstückhaften Einzelsignalen zu verzetteln, überzeugt er Mediziner wie Wissenschaftler. Verra ist Dozent an mehreren Universitäten sowie gefragter Experte für die Medien. Sein aktuelles Buch heißt „Leithammel sind auch nur Menschen – Die Körpersprache der Mächtigen“ und ist im Ariston-Verlag erschienen. Das komplette Interview mit Stefan Verra finden Sie in der aktuellen Ausgabe von BIP – Best In Procurement.