Sicherheits- und Verteidigungsindustrie: 7. Mittelstandstag von BDSV und FKH zeigt Herausforderungen und Chancen für Einkauf und Lieferanten
Am 15. September 2025 versammelte sich die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie zum 7. Mittelstandstag des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV) und des Förderkreises Deutsches Heer e.V. (FKH) im Steigenberger Hotel am Kanzleramt in Berlin.
Neben vielen wichtigen Themen galt das Augenmerk dieses Jahr den CPOs der Systemhäuser. BME und BDSV sind sich einig: Resilienter Einkauf ist der Schlüssel zur Erreichung der Ziele aus dem Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz der Bundeswehr (BwPBBG) und mithin essenziell für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands.
Auftakt: Appell zur gemeinsamen Gestaltung der Sicherheitsarchitektur
Generaloberstabsarzt Dr. Nicole Schilling, Stellvertreterin des Generalinspekteurs der Bundeswehr, eröffnete den Mittelstandstag mit einem klaren Appell: Die Industrie müsse jetzt gemeinsam mit der Bundeswehr Gestalter einer neuen Sicherheitsarchitektur für Deutschland werden. Im Schulterschluss mit der Politik gelte es, robuste Fertigungsfähigkeiten zu sichern, Materialströme abzusichern und globale Abhängigkeiten strategisch zu planen. Handelsabkommen wie mit Kanada und die Diversifizierung der Lieferanten sind dabei zentrale Hebel. Ziel ist die schnelle Einsatzbereitschaft der Streitkräfte – inklusive der notwendigen Infrastruktur, wie die Verlegefähigkeit von Panzern zeigt. Die Zeitenwende ist laut Schilling ein Lakmustest für die Handlungsfähigkeit der Nation. Der entscheidende Dreiklang basiert auf Verlässlichkeit, Partnerschaftlichkeit und Geschwindigkeit.
CPO-Session: Einkauf als Schlüssel zur Resilienz
Besonderer Fokus galt der Fragestellung, wie und mit welchen Lieferanten die Systemhäuser planen, Produktionskapazitäten hochzufahren. Dazu standen die CPOs der Systemhäuser, Marcus Gerlach (Rheinmetall AG), Heinz Oestervoß (KNDS), Frank Ohle (NVL), Sven Lembke (TKMS) und Annika Mulder (Airbus Defence & Space) Rede und Antwort. Als Resümee der Diskussion lassen sich folgende Leitlinien für Lieferanten – und solche, die es werden wollen – herauskristallisieren:
Effizienz und Termintreue sind heute entscheidend
Je proaktiver Zulieferer Qualifizierung und Zertifizierung angehen, umso besser! Das spart Zeit und schafft Vertrauen. Transparenz in der gesamten Lieferkette ist essenziell, nicht wegen der ESG-Vorgaben aus Brüssel, sondern als Basis für Resilienz.
Verlässlichkeit und Flexibilität sind gefragt
Projektlaufzeiten von 10 bis 15 Jahren sind der Normalfall – das geht nur mit langjährigen partnerschaftlichen Geschäftsbeziehungen. Neue Lieferanten müssen mit 1 bis 2 Jahren Vorlauf für Zertifizierungen rechnen.
Innovation macht den Unterschied
Präzise Angaben zu Produkten und Innovationen, etwa in Nischen-Technologien, Materialien oder KI, erhöhen die Sichtbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit.
Schnelligkeit ist jetzt gefragt, doch Qualität bleibt Pflicht
Resilienz bedeutet, mindestens zwei Produktionsstandorte oder alternative Lieferanten vorzuhalten – eine echte Chance für neue Geschäftspartner. Die Branche wächst, aber die Anforderungen bleiben hoch.
Beschleunigung durch Vernetzung
Ralph Herzog, Vizepräsident des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), gab abschließend einen klaren Einblick in die Aufgaben des BAAIN bezogen auf das neue Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz der Bundeswehr (BwPBBG): Das Ziel seien Vereinfachungen, nicht die Umgehung des Vergaberechts. Denn letztlich fördere das Vergaberecht den Wettbewerb und damit auch Innovationen. Innovationen, die die Bundeswehr dringend brauche. Denn Software und nicht hochspezialisierte Hardware würden künftig die Abwehrfähigkeit bestimmen. Das Ziel sei klar: die Bundeswehr bis 2029 „fit“ zu machen – dank schnellerer Qualifikation, Zertifikation und Zulassung, durch mehr Marktteilnehmer und aktives Lieferantenmanagement.
Ausdrücklich begrüßte Ralph Herzog in diesem Zusammenhang die gemeinsame Initiative von BDSV und BME, eine Matchmaking-Plattform für die Defence-Branche ins Leben zu rufen. Das BAAINBw fördert dies ausdrücklich und ruft die Systemhäuser auf, diese Plattform zu unterstützen und zu nutzen. Denn um die Vielzahl an interessierten Lieferanten zu clustern, zu evaluieren und zu kontaktieren, braucht es eine strukturierte Plattform, die einerseits die Lieferanten befähigt, sich mit ihren Besonderheiten darzustellen und es andererseits den Systemhäusern und den Systemlieferanten ermöglicht, zeitsparend neue strategische Lieferanten zu scouten.
Schnell und effizient neue Partner finden und das Onboarding abkürzen. Das ist die Devise der Matchmaking-Plattform, die in Kürze live gehen wird, da sind sich die Hauptgeschäftsführer der beiden Verbände – Dr. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des BDSV, sowie BME-Hauptgeschäftsführer Dr. Lars Kleeberg – einig.
Herausforderungen für Einkaufs- und Supply-Chain-Verantwortliche
Zusammenfassend lässt sich sagen: Deutschlands Rüstungsindustrie befindet sich in einem Paradigmenwechsel. Für Einkaufs- und Supply Chain-Verantwortliche ergeben sich daraus zentrale Herausforderungen:
- Resiliente Lieferketten: Die Absicherung gegen geopolitische Risiken und Engpässe ist essenziell. Diversifizierung und Transparenz sind Pflicht.
- Qualifikation und Zertifizierung: Schnelle und effiziente Prozesse sind gefragt, um neue Lieferanten zu integrieren.
- Innovationsfähigkeit: KI, Digitalisierung und neue Materialien bieten Chancen, erfordern aber gezielte Entwicklung und Partnerschaften.
- Bürokratieabbau: Die Reduktion von administrativen Hürden ist Voraussetzung für Geschwindigkeit und Wettbewerbsfähigkeit. Hier muss die Politik Fakten schaffen!
- Langfristige Partnerschaften: Projekte mit Laufzeiten von über zehn Jahren verlangen Verlässlichkeit und nachhaltige Zusammenarbeit.
Fazit
Die Zeitenwende ist Realität. Einkauf und Supply Chain sind Schlüsselbereiche, um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu sichern. Die Branche muss jetzt gemeinsam handeln – mit Mut zur Veränderung, Innovationskraft und einer neuen Kultur der Partnerschaft.
BME-Webinar „Defence meets Procurement“
Zur Vertiefung der Defence-Thematik bietet der BME das kostenlose Webinar „Defence meets Procurement: Beschleunigung der Beschaffung im Sicherheits- und Verteidigungssektor – Transformation gestalten, Prozesse aufsetzen, Umdenken in der Lieferkette“ an.
Termin: 16.10.2025, 11 bis 13 Uhr.
Im Webinar „Defence meets Procurement“ diskutieren Verantwortliche aus öffentlichen Institutionen, Verteidigungsunternehmen und der Zulieferindustrie über die aktuelle Marktlage und deren Herausforderungen. Ökosysteme, Innovationsmanagement und Beschaffungsprozesse müssen Hand in Hand gehen für eine zukunftsfähige, strategische Beschaffungsstrategie der Bundeswehr, aber auch jedes einzelnen Players im Sicherheits- und Verteidigungssektor.
Zur Anmeldung gelangen Sie hier.
60. Symposium Einkauf und Logistik: Strategy Briefing
Strategic Insights: Europäische Souveränität und zukunftsfähige Beschaffung
In dieser Session des BME-Jahreshighlights (11.-13.11.2025, Berlin) werden zentrale Strategien zur Sicherung europäischer Souveränität durch resilientere Lieferketten diskutiert.
Termin: 13.11.2025, 09 Uhr bis 10 Uhr.
Im Fokus stehen der Ausbau rein-europäischer Supply Chains für sicherheitstechnologische Anwendungen, strategischer R&D-Einkauf im Verteidigungsbereich sowie die Umstrukturierung von Produktionslinien zur Steigerung von Resilienz und Flexibilität.
Moderation: Prof. Dr. Michael Eßig, Universität der Bundeswehr München
Panel-Teilnehmer:
- Dr. Hans Christoph Atzpodien, Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV)
- Dr. Christian Mölling, Zentrum für Europäische Politik und EDINA: European Defence in a New Age
- Heinz Oestervoß, KNDS Deutschland GmbH & Co. KG
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